Die genaue Dosis an Hypoglycin A, die aufgenommen muss, um die atypische Weidemyopathie bei Pferden auslösen zu können, ist bislang unbekannt.
Im Herbst kommt es zu Vergiftungen durch die Aufnahme der Flügelfrüchte des Bergahorns, die die hypoglycin-haltigen Samen enthalten. Im Frühjahr kommt es durch die Aufnahme der Keimlinge des Bergahorns, die ebenfalls Hypoglycin enthalten, zur Auslösung der atypischen Weidemyopathie.
In der Regel werden Vergiftungsfälle auf der Weide beschrieben, dennoch sollte kein Heu von Flächen gewonnen werden, wo die Möglichkeit besteht, dass entweder Keimlinge (eher unwahrscheinlich, da Wachstum vor der Heueinwerbung) oder ggf. auch Flügelfrüchte des Bergahorns in das Heu gelangen können.
Welche Ahornbäume sind toxisch, d.h. welche Flügelfrüchte und Keimlinge enthalten Hypoglycin A oder Methylenecyclopropylglycine, soweit getestet?
- Acer palmatum
- Acer pseudoplatanus
- Acer japonicum
- Acer macrophyllum
- Acer negundo
- Acer spicatum
- Acer saccharinum
- Acer saccharum
Präventionsmaßnahmen Weide?
- Kritische Ahornarten identifizieren, besonders kritisch sind Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus) sowie Eschen-Ahorn (Acer negundo).
- Zugang zu den Flügelfrüchten vermeiden
- Risiko-minimierte Weiden schaffen
- Optimales Weidemanagement mit Futterverfügbarkeit schaffen
- Feuchte Flächen mit deutlich erhöhtem Risiko, da Hypoglycin A wasserlöslich ist
- Kontaminierten Mist nicht auf Flächen streuen
- Kein Zugang zu natürlichen Wasserquellen wie Flüsse oder Pfützen
Präventionsmaßnahmen Pferd?
- Alle Altersgruppen können betroffen sein.
- Weidegang im Herbst und Frühjahr auf < 6 h pro Tag limitieren, wenn zahlreiche Flügelfrüchte oder Keimlinge zu finden sind
- Zufütterung (nicht kontaminiertes Heu zur freien Verfügung aus bodenferner Raufe)
- Energie- und Nährstoffzufuhr an Bedarf anpassen, weitere Ergänzungen wie z.B. Riboflavin oder Salzlecksteine
- Wasser über Tränke und nicht über natürliche Wasserquellen bereitstellen
Weide mit Berg-Ahorn umgeben, aber bislang keine Fälle, ist die Weide sicher?
- Nein, Fälle können nicht ausgeschlossen werden
Risiko während der Weidesaison?
- 76 % der Fälle treten von Herbst bis Winter auf (01. Oktober bis 31. Dezember) auf. Die restlichen Fälle (24 %) ereignen sich im Frühjahr (01. März bis 21. Juni)
- Gründe für die Ausbrüche im Herbst sind weiterhin unklar
- Gründe für das Aufhören im Frühjahr
- verbessertes Futterangebot durch nachwachsende Futtergräser
- Abnahme der Toxizität mit dem Wachstum der Keimlinge
- Abnahme der Schmackhaftigkeit der Keimlinge mit dem Grad der Reifung
- Klimatische Bedingungen, die den Grad der Intoxikation reduzieren
- Zeitbedingte Abnahme der Keimlinge
Prof. Dr. med. vet. Ingrid Vervuert
FTÄ für Tierernährung und Diätetik
Veterinärmedizinische Fakultät
Universität Leipzig
Institut für Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik
An den Tierkliniken 9
D-04103 Leipzig
Literatur:
Votion, D.M., Francois, A.C., Krise, C., Renaud, B., Farinelle, A., Bouquieaux, M.C., Marcillaud-Pitel, C., Gustin, P. (2020): Answers to the Frequently Asked Questions regarding horse feeding and management practices to reduce the risk of atypical myopathy. Animals 10:365; doi:10:10.3390/ani10020365